Von der Dikla zum Einser – Abi – die unglaubliche Geschichte von Dany Shalgen an der Diltheyschule

Ein blasser, schlaksiger Junge mit dunklen Haaren sitzt mir im Raum 019 gegenüber. Seine Augen strahlen. „Hallo Dany, ich soll dich für die Dilthey- Homepage interviewen“, begrüße ich ihn. „Erzähl mir mal von deinem Weg an die Diltheyschule und zu diesem fantastischen Abitur – Durchschnitt 1.0!

 

Dany erzählt: Von seiner Kindheit mit einem älteren Bruder und einer jüngeren Schwester in Damaskus, wo sein Vater einen kleinen Laden – „so ungefähr wie ein Kiosk“ besaß. Wie seine Geschwister ging Dany zur Schule, allerdings sieht er große Unterschiede zur Schule in Deutschland. Die Lehrer seien viel strenger, schlügen die Kinder und hätten wenig Geduld mit ihnen.

2011 begann in Syrien der Bürgerkrieg, die Menschen lehnten sich gegen das Regime des Diktators Baschar Al-Assad auf. Der Krieg wurde mit großer Grausamkeit gekämpft, Bomben fielen und es gab sogar Angriffe mit Giftgas.

2015 beschloss Danys Familie, wegen des andauernden Krieges und der ständigen Lebensgefahr Syrien zu verlassen. Er war elf Jahre alt. Über den Libanon führte die Flucht zunächst in die Türkei. Mit einem Schlauchboot setzten sie nach Griechenland über. Viele Wochen lang durchquerten sie teils mit Bussen, aber auch zu Fuß die Länder Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und schließlich Österreich. Sie schliefen unter freiem Himmel und deckten sich mit ihren Jacken zu. Es war Mitte November 2015, als sie endlich Bayern erreichten. Sie wurden gefragt, wo in Deutschland sie hinwollten.

„Warum seid ihr gerade nach Wiesbaden gekommen?“, will ich von Dany wissen. „Drei meiner Cousins lebten bereits seit zwei Monaten hier“, antwortet er mir.

Anfangs lebte Danys Familie in einer Flüchtlingsunterkunft, zu fünft in einem kleinen Raum. Auch nach dem Umzug in eine andere Unterkunft in der Brunhildenstraße hatten sie nicht mehr Platz. Danys Eltern und sein großer Bruder suchten sich Arbeit in einem Supermarkt, wo sie Regale einräumten. Und Dany kam in die Dikla der Diltheyschule.

„Am Anfang war es sehr schwer, ich verstand gar nichts“, erzählt er. Aber bald merkte er, dass die Lehrer und Lehrerinnen zugewandt und freundlich waren, sich für die Kinder interessierten und ihnen etwas beibringen wollten.

Und Dany wollte lernen, auch wenn das schwierig war in einer Klasse mit Kindern unterschiedlichen Lebensalters, aus vielen verschiedenen Ländern und mit einer sehr unterschiedlichen schulischen Vorbildung. Nur mit einigen anderen syrischen Kindern konnte er sich flüssig unterhalten.

Als Dany schon nach sieben Monaten langsam in eine Regelklasse integriert wurde, wurde es zunächst einmal noch schwieriger. „Ich verstand den Stoff nicht, ich hatte keine Freunde und war traurig und deprimiert“, erinnert er sich. Alles war anders und sehr unübersichtlich. So wurde nach einigen Monaten beschlossen, dass Dany die siebte Klasse wiederholen sollte, damit er bessere Lernchancen hatte.

Und es klappte! „Ich hatte den Stoff ja schon einmal durchgenommen und verstand die Sprache jetzt viel besser“, erklärt er. So erschien ihm alles viel einfacher, er liebte besonders Englisch, weil er ein Hip-Hop Fan ist und Mathematik – Zahlen und ihre Gesetze sind gleich überall auf der Welt. Mathematik und Englisch wurden auch Danys Leistungskurse, und in Mathematik bekam er mit dem Abitur einen besonderen Preis für herausragende Leistungen.

Wie sind Danys weitere Pläne? Er möchte Medizin studieren, was mit seinem hervorragenden Abitur kein Problem darstellen sollte. In der deutschen Gesellschaft möchte er etwas leisten und den Menschen als Arzt helfen. Auf der Diltheyschule habe er sich wohl gefühlt, akzeptiert und unterstützt, auch von seinen Mitschülerinnnen und Mitschülern. Man habe ihn vielleicht einmal wegen seiner Sprachfehler geneckt, aber rassistische oder fremdenfeindliche Äußerungen habe er nicht erlebt, erzählt er.

Am Ende dieses Interviews fühle ich große Bewunderung und Sympathie für diesen außergewöhnlichen jungen Mann. Unsere Schule kann stolz auf Dany Shalgen sein, und alle, die ihn unterrichtet und gefördert haben, können ebenfalls stolz auf ihre Leistung sein. Es hat sich gelohnt.

Claudia Oedekoven